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"Der Brand"

Sabine Abel, Monique Lhoir,  Annemarie Nikolaus

- Leseprobe aus: "Das Feuerpferd" -

 

 

Mit den Schuhen in der Hand tastete sich Silvana die Treppe hinab. Licht schimmerte durch die Ritzen der Küchentür und verriet, dass ihr Bruder immer noch über den Wirtschaftsbüchern saß. Vorsichtig öffnete die junge Frau das schwere Portal. Als sie hinausschlüpfte, entriss ihr ein Windstoß die Tür und warf sie krachend ins Schloss.

Dorianos Schatten tauchte am Küchenfenster auf. Es kümmerte sie nicht; sie rannte über den Hof, die Schuhe in der Hand.

Doriano öffnete das Fenster. „Silvana! Silvana, komm zurück. Was willst du da draußen in diesem Unwetter?“ Er zog seine Regenjacke an und eilte ihr nach.

Noch regnete es nicht, aber der Donner grollte bereits über ihnen und der Wind wirbelte die Reste des Heus auf, das sie am Morgen an der Wand des Geräteschuppens gelagert hatten. Er zerrte an den klappernden Fensterläden. Silvana lief hinüber, um sie zu befestigen.

Als sie den Pferdestall erreichte, schlug ein Blitz am Rand des Maisfelds ein und verwandelte die alte Pinie in eine Fackel. Durch das geöffnete Tor drang Brandgeruch in den Stall und die Tiere schnaubten nervös. Miklos und Waltari, die beiden Hengste, trommelten mit den Hufen gegen die Wände ihrer Boxen.

Eine schwarze Stute lag im Stroh und begrüßte sie mit leisem Wiehern. Silvana tastete nach einer Stalllaterne und zündete sie an. „Larissa, mein gutes Mädchen! Ist es so weit?“ Sie kniete nieder und massierte behutsam den mächtigen Leib des Pferdes.

Die Stute schnaubte und ächzte.

Silvana strich ihr über den Hals. „Das wird ein tolles Pferdchen, du wirst sehen. Dein Baby wird das Feuer aller Blitze in sich tragen, die jetzt niedergehen. Es wird schnell sein wie der Sturm, der um den Stall fegt, und mächtig wie das Donnergrollen.“

Ein leises Lachen erklang. Ihr Bruder hatte unbemerkt den Stall betreten. „Soll das eine Zauberformel für das neue Fohlen werden?“

„Ach, Doriano!“ Sie stand auf und hob die Laterne höher, um ihm den Weg durch die Stallgasse zu leuchten.

„Bei diesem Licht siehst du mit deinen wilden Locken aus wie eine kleine Hexe.“ – „Oder wie eine Elfe“, setzte er zwinkernd hinzu, als sie die Augenbrauen hob. „Wie konntest du wissen, dass Larissa fohlt? Es ist viel zu früh!“

„Sie braucht Hilfe.“ Silvana legte der Stute die Hand auf ihren Kopf, um sie zu beruhigen.

„Wir auch. Um das Gestüt zu retten, bräuchten wir ein Pferd, das den Teufel im Leib hat.“

 

Endlich, im Morgengrauen, erhob sich ein Fohlen zum ersten Mal auf seine staksigen Beine.

„Ein Albino“, rief Doriano perplex.

„Aber nein; siehst du nicht, dass es schwarze Augen hat?“ Silvana tätschelte die Stute mit einem vergnügten Zwinkern: „Larissa, mit wem hast du uns da betrogen?“

„Vielleicht ist es wirklich das Zauberpferd, das wir uns gewünscht haben.“ Doriano setzte sich ins Stroh und umarmte beide.

Als sie den Stall verließen, zerrte der Sturm an ihnen. Unvermindert tobte das Gewitter; doch im Licht des neuen Tages wirkte es nicht mehr bedrohlich. Lachend hoben sie ihre Gesichter den vereinzelten Regentropfen entgegen, sprangen übermütig durch die spärlichen Pfützen der Nacht.

Da schlug erneut der Blitz ein. Aus dem Dachstuhl ihres Hauses schoss eine Flamme.

...

 

Moghora schmiegte sich an Lybios. Mit zwei Fingern strich er ihr durchs Haar und raunte: „Bekommst du deine Zaubersprüche nicht mehr zusammen? Es ist nur ein kleines Fohlen.”

Die Fürstin des Schattenreichs stieß ihm die Faust in die Seite und kicherte. „Tatamm Onyx Radadamm Sert ...“

Lybios biss ihr ins Ohr.

„Was tust du da?” Moghora rückte lachend von ihm ab, schloss die Augen und begann erneut. „Tatamm Onyx Radamm Sertatium.”

Im gleichen Moment erlosch das Feuer im Kamin. Die Kerzen auf der Anrichte begannen zu qualmen, bis auch sie keinen Schein mehr gaben.

„Nein!” Mit einem Aufschrei ließ Moghora ihre Kristallkugel los, lief zum Fenster des Turms und blickte auf Seoria hinab. Alle Lichter auf der Insel erloschen nach und nach. Die schmale Sichel des Mondes verwandelte ihre Welt in einen grauen Schattenriss.

Lybios sprang auf, nahm die Kugel und trat hinter die Fürstin. „Moghora, was geht hier vor? Warum wird es plötzlich dunkel?”

„Das Fohlen ...!” Sie presste die Hände gegen die Schläfen und ihr Atem wurde zu einem Keuchen. Mit Tränen in den Augen zog sie ihr dünnes, fast durchsichtiges Gewand enger um die Schultern, als fröre sie. „Lybios ... wir haben einen Fehler gemacht. Unser Fohlen wurde gerade in der Welt der Sterblichen geboren.”

„Aber wieso?” Lybios drehte die Zauberkugel, aber er konnte nichts darin sehen. Er schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich.”

„Es ist nicht unmöglich!“, schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf. „Irgendetwas ging schief. Der Zauberspruch ... er war falsch. Du hast mich abgelenkt!” Ihre Augen verfärbten sich gelb und schossen Blitze. „Nur wegen dir wird Seoria untergehen!”

„Wegen mir? Moghora!” Lybios wollte die Fürstin beruhigend in den Arm nehmen.

Sie stieß ihn beiseite und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während sie die Hände knetete. „Warum war ich so unvernünftig?”, stammelte sie. „Wie konnte ich wegen dir so unüberlegt handeln!” Sie funkelte Lybios an. Zwischen ihren Augenbrauen erschien eine Falte.

„Moghora!” Lybios umfasste ihre Schultern. „Ich wollte nicht ...”

„Du wolltest nicht? Mehr weißt du nicht zu sagen?” Die Fürstin riss das Fenster auf und atmete durch. „Ich weiß, es war auch mein Fehler“, flüsterte sie in den Wind. Sie lehnte die Stirn gegen den kühlen Steinrahmen. „Mit dem Fehlzauber und der Geburt des Fohlens in der Anderen Welt wurde den Bewohnern von Seoria das Feuer genommen. Im Winter wird unser Volk frieren und sterben, des Nachts werden ihre Kinder vor Angst weinen, ihre Kochstellen bleiben kalt und sie müssen hungern.”

Tröstend zog er sie an sich und für einen Moment hielt sie still. „Es tut mir unendlich Leid, Moghora. Wie kann ich es wieder gutmachen?”

„Das Fohlen darf auf gar keinen Fall bei den Sterblichen bleiben!” Sie runzelte die Stirn.

„Ich hole es zurück!”

Moghora tappte durch das Halbdunkel zu einer mit Schnitzwerk verzierten Truhe. Dort suchte sie einen kleinen Lederbeutel heraus.

„Du musst dich sofort auf den Weg in die Welt der Sterblichen machen!“ Sie ließ ihre Augen über seine makellose Gestalt wandern. „Ich ...” Sie schluckte. Zu gerne hätte sie die Nacht mit ihm verbracht. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn sanft am Arm.

Er löste seinen begehrlichen Blick von ihren Hüften. „Ich bringe das Feuer nach Seoria zurück!”

Die Fürstin nickte und hielt ihm den Lederbeutel hin. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Alles, was du benötigst, findest du darin. Hüte diese Steine gut! Sie werden dich und das Pferd sicher zurückgeleiten.” Moghora reichte ihm ein Amulett. „Und nimm das. Es wird die einzige Verbindung zwischen uns sein.”

Lybios band es an seinem Gürtel. „Sobald ich das Fohlen habe, bringe ich es hierher. Und dann ...” Er lächelte.

„Bedenke: Wir sind nicht die einzigen, die von seiner Existenz wissen. Der alte Grint wird alles daran setzen, es in seinen Besitz zu bekommen.”

„Ich werde mich deiner würdig zeigen.“

„Gut!” Sie fuhr mit ihren langen, silbernen Fingernägeln durch sein schwarzes Haar und seufzte. „Schade, dass wir nicht noch einen Moment haben. Ich wünschte ...”

Lybios hauchte einen Kuss auf ihre Wange. „Wenn das Fohlen auf Seoria ist, haben wir alle Zeit der Welt.”

Moghora nahm die Kristallkugel und murmelte einen Zauberspruch.

Im nächsten Augenblick stand Lybios inmitten eines grellen Lichtkegels im Stall von Silvana und Doriano.

 

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  Stand: 26.02.2011